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09.02.2020, 10:27 Uhr | Lokalanzeiger Groß-Zimmern- Frau Ursula Friedrich
Senioren-Union Groß-Zimmern, Vortrag in der ev.Kirche
Helmut Kriha berichtet im Vortrag von Groß-Zimmern im Jahr 1704
Schweres Kaliber hat Helmut Kriha am Sonntag bei seinem Vortrag „…des Menschen unraht ahn das Thor geschmiert…“ in der evangelischen Kirche aufgefahren. Geschichtliche Zusammenhänge um das Jahr 1704 versuchte er aufzuzeigen, was in der Tat nicht einfach war.
Helmut Kriha zeigte anhand einer Karte, wie klein Groß-Zimmern im Jahr 1704 war.
Zu dieser Zeit war nicht nur der Landkreis sondern das gesamte Deutschland ein Flickenteppich von Herrschaftsbereichen. Kriha zeigte etliche Karten, die schön bunt waren. Jede Farbe stand für einen anderen Herrscher, oft waren es Fürsten, Landgrafen oder andere Hoheiten, denen nicht nur das Land, sondern auch ein Teil der dort lebenden Bewohner, die Leibeigenen, gehörten.
Noch komplizierter machte das große Puzzle, dass seit der Reformation durch Luther im Jahr 1517 die unterschiedlichen Herrscher auch unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehörten. Damals gab es noch keine Glaubensfreiheit: Die Gebietseigentümer, damals waren es für Groß-Zimmern die Löwensteins in Habitzheim, verordneten ihren Landeskindern auch den Glauben, dem sie selbst anhingen. Und da die Landesherren immer mal wieder wechselten, mussten sich die Bewohner gegebenenfalls auch in diesem Punkt jeweils neu ausrichten.
In Groß-Zimmern waren allerdings die Lutheraner vorherrschend. Die evangelische Kirche im Ort ist erheblich älter als die katholische und wurde deshalb viele Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte, als Simultankirche genutzt. Das heißt, beide Konfessionen – die lutherischen Gläubigen wie auch die Katholiken – nutzten sie für ihre Gottesdienste, was – wenig überraschend – zu teils großen Spannungen führte. 
Im Jahr 1704 eskalierten die Streitigkeiten, als der katholische Pfarrer Kocken auf den Dorf-Schultheißen Georg Herbert traf. Der Pfarrer hielt es, obwohl es 28 Jahre keinen lutherischen Pfarrer in Groß-Zimmern gab, nur sieben Jahre in Groß-Zimmern aus. Dafür maßgeblich waren aber wohl nicht nur die Streitereien mit dem Orts-Schultheißen, sondern dass der Pfarrer sein Salär, wenn überhaupt, nur unregelmäßig erhielt. Die Lutheraner waren auf die Katholiken generell schlecht zu sprechen. Denn ihnen war die Pfarrkirche von der kurpfälzischen Obrigkeit kurzerhand entzogen worden, obwohl die lutherische Gemeinde damals 500 Mitglieder hatte, die katholische aber nur 120.
Nachdem Kriha die zahlreichen geschichtlichen Zusammenhänge anhand von viel Kartenmaterial erklärt hatte, las er aus einem Brief vor, den Pfarrer Kocken im Jahr 1704 an den Pfälzer Kurfürsten geschrieben hatte. Vorher durften die Besucher des Vortrags aber noch staunen, wie klein Groß-Zimmern damals war. Es gab nur zwei Eingänge in das Dorf, einer kam von Klein-Zimmern, der andere von Dieburg. Im Wesentlichen erstreckte sich das Dorf in Ost-West-Richtung von der Bachgasse bis zur heutigen Wilhelm-Leuschner-Straße. In Nord-Süd-Ausrichtung ging es von der Angelstraße bis zur Kirchstraße. Die Opelgasse gab es damals schon. Teilweise hießen die Straßen aber noch anders.
Kocken schilderte in seinem umfangreichen Brief an den Kurfürsten, wie er von den Lutheranern behandelt wurde. Wobei Kriha, der den Brief in großen Teilen vorlas, betonte, dass vieles der Fantasie des Pfarrers entsprungen war und Kocken vieles darstellte, was sich hätte ereignen können, wenn er nicht so mannhaft gewesen wäre. So seien die Lutheraner in der Weihnachtsnacht „mit grosen Brügeln und Höbelen zusahmengelaufen, einige im Kirchthurm, die andere bey nahe in Schuhlhauß, ja in allen Ecken und Winkhelten verborgen, willens uns Catholische under Favor so dunkheler Nacht zu erschlagen, dan das Morden recht angegangen wäre, wann ich nicht das böse vorhaben vermerkt hätte“.
In diesem Tenor dichtete Kocken ein abenteuerliches Werk. Der Referent versuchte immer wieder, auf den häufig mangelnden Wahrheitsgehalt hinzuweisen und erklärte: „Es ist schwer, heute zu entscheiden, was Wahrheit und Dichtung ist.“ Auf jeden Fall zeigte sein Vortrag, dass, entgegen landläufiger Meinung, die heutigen Umgangsformen im Verhältnis doch nicht ganz so ungehobelt sind, wie sie von manchem empfunden werden.           zba