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14.10.2019, 10:10 Uhr
Die Senioren-Union der CDU Gr.-Zimmern auf den Spuren der Vergangenheit

Die CDU-Seniorengruppe organisierte einen privaten Personenverkehr und traf sich, trotz vorhergehendem Dauerregen, am Nachmittag zu einer Führung auf dem jüdischen Dieburger Friedhof, der ein Sammelfriedhof mit einem Einzugsgebiet von 23 umliegenden Städten und Gemeinden war.


Seit 1960 gehört der Friedhof wieder dem Landesverband der Juden in Hessen und die Stadt Dieburg wurde mit der Pflege betraut. Das heute geschützte Kulturdenkmal ist eine Erinnerungs- u. Begegnungsstätte. Unsere männlichen Besucher trugen respektvoll eine Kopfbedeckung . Es erfordert auch gutes Schuhwerk, da ein Teil des Friedhofes nur eine unebene Wiesenfläche ist.
Nach Eintritt über den neuen Zugang hörte der Regen spontan auf und wir erhielten einen überraschenden Einblick über die noch bestehende Größe dieses Friedhofes. Es folgte eine kurze Historie über die Entstehung dieses Ortes und eine Einführung über den für uns etwas befremdeten Zustandes des Geländes bzw. der bis zu nahezu noch ca.1000 vorhandenen Grabsteine. Denn nicht wie bei den Christen üblich ist es, die Gräber gepflegt mit Blumen auszustatten. Dennoch war es beeindruckend, wie viele Jahrhunderte dieser Ort schon besteht und eine gewisse Ruhe ausstrahlt.
Kurze Erläuterungen über den vorhergehenden Eingang mit der dadurch erfolgten Ummauerung und den aufgrund der jüdischen Bevölkerungszunahme notwendigen Erweiterungen folgten. So erfuhren wir auch, dass in der NS-Zeit dieses Gelände durch Zweckentfremdung zum Ackerbau genutzt werden sollte.
Dann löste sich das Rätsel der an der Ostwand befestigten, rechteckigen Steine oder wie Dominosteine aufgestellten ehemaligen Grabplatten auf. Diese, damals von der Gestapo beschlagnahmt, wurden mit entsprechender Bearbeitung für einen Treppenbau am Fechenbacher Schloss in Dieburg verwendet, zwar wieder zurückgebracht, aber durch teilweise Zerstörung der Inschriften konnten sie nicht mehr zugeordnet werden.
Wir begaben uns nunmehr in den ältesten Teil des Friedhofes. Die teilweise in der NS-Zeit umgestürzten Grabsteine sind hier mittlerweile wieder in der Zeit von 1990 bis 1998 auf Wunsch von Nachkommen jüdischer Familien der Region aufgestellt.
Um diese herum wächst eine gepflegte Wiesenanlage, manche auch mit hochgewachsenen Gräser. Die Gräber aus der Belegzeit aus dem frühen 18. Jahrhundert sind vermutlich hier alle eingesunken. Beim Begehen blitzen schon mal noch die oberen Kanten heraus.
Wir erhielten jetzt ausreichende Information über die Trauerzeit und Trauerzeremonie, sowie der Bestattung, dem Gebrauch der Steinhinterlegung und aus welchen mehreren Elementen sich eine hebräische Grabschrift zusammensetzt. Bei einzelnen Grabsteinen aus Sandsteinen konnte man noch manches Symbol erkennen, die Bezug auf Beruf/Ehrenamt, Familienname des Verstorbenen oder besondere Zugehörigkeiten innerhalb des Judentums nehmen. Andere Symbole, die durch die Verwitterung der Steine nicht mehr vorhanden waren, wurden uns in Form von kopierten Bildern erklärt. 
Die Führung erfolgte nun in den zweiten Teil des Friedhofes.
Im Mittleren Teil sind überwiegend Bestattungen aus dem 19. Jhdt. Hier wurden die Inschriften schon sichtbarer, teilweise mit deutschen und christlichen Formulierungen, oftmals nur auf den Rückseiten mit Namen und Sterbedatum. Entgegen dem Sinn, dass hier alles bescheiden bzw. fast gleich aussehen soll, wurden doch so manche Ausnahmen gemacht. Einige der Teilnehmer fanden Gräber mit Namen heraus, die aus ihrem Wohnort stammten. Daraufhin gab es Erkenntnisse über die in Gr.-Zimmern ehemals vorhandene Synagoge, den Kennkarten und Daten des ehemaligen Lehrers Spier, sowie aus Recherchen mitgebrachter Fotos. 
Eine ganz andere Episode folgte dann im Neuen Teil, indem man Grabsteine aus poliertem Granit und Marmor vorfindet.
Dieser Teil wurde nach Kriegsende nochmals für Verstorbene Juden aus den DP- Lagern der Umgebung aktiviert. Somit erfuhren wir auch noch über die Herkunft der Displaced Persons in den Jahren 1946/47.
Auch Informationen über die erstandene Synagoge am Marktplatz, deren Umbau und nachfolgenden Umwandlungen sowie dem damals guten Zusammenleben der Christen und Juden erhielten wir ausreichend. Nachfragen über die zwangsenteigneten Häuser und der evtl. Rückanforderungen, der nicht vorhandenen bzw. zugelassen Stolpersteine, sonstigen vorhandenen Gedenkstätten oder Gedenktafeln in Dieburg sind hier noch mit viel Geduld beantwortet worden. 
Aufmerksam gemacht auf eine Grabplatte wurde uns damit gelehrt, dass hier eine jüdische Frau beigesetzt werden wollte, aber nach deren Ritualen keine verbrannte Asche, als das sie zurückkam, der Erde zugefügt werden darf und sie somit auf dem Dieburger Friedhof liegt.
Zum Abschluss bekamen wir noch das Grab des hier zuletzt beigesetzten Juden zu sehen. Auf die Frage, warum hier keine Bestattungen mehr stattfinden, obwohl noch genügend Platz vorhanden ist, folgte die Erklärung, dass es nach den Auswanderungen aus Dieburg, bzw., den Deportationen keine Juden mehr gab.
Der Eindruck der nach dem letzten Grab folgenden leere Wiese war wie ein Gedenken auf einen endgültigen Schluss der Geschichte.
Zum Abschluss bedanken wir uns noch bei der Bediensteten der Stadt Dieburg für die sehr ausführlichen Erklärungen.
Mit viel neuem Wissen und einem sehr überraschendem Einblick verließen wir wieder mit Privatwagen diese Stätte und kehrten in der „Stowäjer Stubb ein. Dort wurden wir schon vom Rest der Truppe wissbegierig empfangen. Diese, welche aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnten, erhielten eine Mappe mit ausreichenden Informationen über die heutige Begegnungsstätte. 
Dann erwartete uns auch die Vergangenheit in einer besonderen Form.
Zwei stadtbekannte Dieburger begrüßten uns im Dibbojer Dialekt. Es folgte die Aufklärung, wie es überhaupt zu diesen Märchen kam und danach einiges Wissen über die 600 km lange Deutsche Märchenstraße. Dies war wohl den Wenigsten bekannt. Ein Märchenlied erklang, wobei Alle spontan mitgesungen haben. Das erste Märchen wurde dann in der eigens humoristischen Art der Beiden sowie deren teilweise eigenen Interpretation, ab- und umgewandelt auf Ort und Personen aus Gr.-Zimmern und Dieburg, vorgetragen.  
Die danach folgenden Märchenlieder- und Erzählungen sind mit einer jeweiligen Pause durch das von der Wirtin ausgedachtem „Hessischen Menüchen“ unterbrochen worden. In diesen kleinen Pausen verarbeiteten wir die erworbenen Kenntnisse des Tages und auch die Erinnerungen aus unserer Kindheit bezüglich der Märchen. Wir mussten alle feststellen, dass diese uns nicht geschadet haben. Auch wurden wir mit einem Märchenrätsel in ganz besonderen Form gefordert. Es waren insgesamt 15 Märchen bzw. Figuren zu erraten, jedoch war die Fragestellung immer in zweideutiger Form gestellt. Mit viel Gelächter aber auch Eifer wurden diese Fragebogen beantwortet, ausgewertet und zum Schluss aufgelöst und entsprechend kleine Preise verteilt.
Der Tag hatte mit einem traurigen Bewusstsein angefangen und endete dann in froher Runde. Nun geht es bei der Senioren-Union in die ruhige Zeit mit Terminen bei Kaffee und Kuchen. Mitgliederversammlung ist am 7.11.2019 um 15 Uhr bei Nico in der Turnerwirtschaft Darmstädter Str. Zwischendurch gab es „Hessische Spezialitäten“

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